NABU-Wolfsposition

Wolf (canis lupus), Foto: NABU/Heiko Anders
Wolf (canis lupus), Foto: NABU/Heiko Anders

Wölfe und Wir – Wege zum Miteinander

Wölfe sind heimische Wildtiere und damit Bestandteil unserer Natur- und Kulturlandschaften. Die Wolfsbestände in Deutschland breiten sich in der Fläche aus und bringen dort neue Herausforderungen mit sich. Als Naturschutzverband wollen wir mit rationalem Blick auf diese Tierart schauen.

 

Ziel des Artenschutzes ist es, die Existenz wildlebender Arten als sich selbst erhaltende Populationen zu sichern. Das gilt auch für Wölfe. Der Erhalt der Art hängt in hohem Maße von der Akzeptanz in der Gesellschaft ab. Ein Hauptaugenmerk, um eine lang-fristig stabile Wolfspopulation zu erhalten, muss also darauf liegen, Akzeptanz in der Bevölkerung, insbesondere bei Weidetierhalter:innen zu schaffen oder zu erhöhen. In einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland ist der Umgang mit Wildtieren eine besondere Herausforderung. Nicht nur Wölfe, auch andere geschützte Wildtierarten sind häufig Gegenstand von teils emotionalen Auseinandersetzungen verschiedenster Interessengruppen. Es gilt, stets einen ausgewogenen und nachhaltigen Interessen-ausgleich zwischen den Bedürfnissen des Menschen und dem der Wildtiere zu suchen. Auch für ein wirtschaftlich hochentwickeltes Land wie Deutschland ist es immer eine Frage der Gesellschaft, ob wir bei uns heimischen Wildtieren ausreichend Platz und Möglichkeiten zum Leben geben. Sachliche Informationen für die Bevölkerung sowie eine verlässliche und lösungsorientierte Zusammenarbeit von Naturschutz-, Jagd- und Landwirtschaftsverbänden, Weidetierhalter*innen, Wissenschaft und Behörden sind zentrale Elemente für ein dauerhaft funktionierendes Miteinander von Menschen, Weidetieren und Wölfen.

 

Nachfolgend beschreiben wir die Grundprinzipien für ein funktionierendes Miteinan-der von Menschen, Weidetieren und Wölfen sowie die Wege, die wir als NABU mit unserer Arbeit gehen wollen, um folgende Bedingungen zu realisieren:

 

1. Wolfsmanagement – wissenschaftlich basiert und einheitlich

 

Perspektivisch werden Wölfe in weite Teile Deutschlands auf natürliche Weise zurückkehren, da sie in allen (Flächen-) Bundesländern geeigneten Lebensraum vorfinden (BfN-Skript 556). Die Verfügbarkeit von Nahrung und insbesondere hinreichend großer Rückzugsmöglichkeiten (Baue, Jungtieraufzucht usw.) sowie das territoriale Verhalten und die Wilddichte bestimmen die Populationsgröße. Darüber hinaus beeinflussen anthropogene Faktoren wie die Kollision mit Fahrzeugen oder illegale Tötungen von Tieren die Bestandsentwicklung. Fazit: Weder eine aktive Wiederansiedlung einerseits, noch eine aktive Bestandskontrolle andererseits sind notwendig, um eine stabile Wolfspopulation in Deutschland zu erhalten. Maßnahmen zur Vermeidung von Konflikten

sind hingegen dringend notwendig. Der NABU fordert Bund und Länder auf, ihr Wolfsmanagement auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu begründen, lösungsorientiert zu gestalten und auf die Verminderung von Konflikten zu konzentrieren. Dazu gehören Herdenschutz, Wildbrücken und andere verkehrssichernde

Maßnahmen sowie die strenge Verfolgung von illegalen Tötungen.

 

Um die Koexistenz von Mensch, Wolf und Weidetieren zu ermöglichen, bedarf es eines gut abgestimmten, auf wissenschaftlichen Fakten beruhenden Managements. Das deutschlandweite Wildtiermanagement zu Wölfen muss die Schwerpunkte auf die Ermittlung von Populationsdaten, den Erhalt und Erforschung der Tierart und den

Umgang mit ihr konzentrieren. Wirtschaftliche und politische Aspekte sind zu beachten und ein verantwortungsvoller Umgang muss angestrebt werden. Das Wissen wird in einer zentralen Stelle (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf – DBBW) gesammelt. Der NABU fordert und unterstützt den Ausbau der wissenschaftlichen Forschung zum Wolfsmanagement in unserer Kulturlandschaft.

Dazu bedarf es der langfristigen Implementierung und Weiterentwicklung der DBBW.

 

Das Wissen der allgemeinen Bevölkerung über ein Nebeneinander mit großen Beutegreifern ist vielerorts verlorengegangen. Dies macht es für Politiker*innen und Medien leicht, mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Dies hemmt lösungsorientierte Wege zum Miteinander. Der NABU fordert Bund und Länder auf, eine sachliche Öffentlichkeitsarbeit, die über Wölfe und den Umgang mit ihnen informiert, einzurichten.

 

Die Bundesländer sind angehalten, Wolfsmanagementpläne für ihr jeweiliges Land zu erstellen. Eine nationale Strategie gibt es bisher nur in der Form von Fachpapieren des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Die wesentliche Ausrichtung des Managements muss dagegen (auch nach Berner Konvention) national einheitlich gestaltet werden. Definitionen zu ausreichendem Herdenschutz müssen einheitlich, aber situativ anpassbar

gestaltet werden. Dringend erforderlich ist außerdem eine Professionalisierung von Rissgutachter*innen in den Ländern. Der NABU fordert grundsätzlich einheitliche, klare Maßnahmen im Umgang mit Wölfen und Weidetieren und lokale fachliche sowie praktische Unterstützung für Weidetierhalter*innen. Die Dokumentation

von Rissereignissen muss einheitlich und transparent geschehen.

 

Der NABU fordert die Länder und den Bund auf, diese Maßnahmen in miteinander abgestimmten Wolfsmanagementplänen für alle Bundesländer festzuschreiben und zügig umzusetzen.

 

Der NABU bringt diese Arbeit voran, indem er sachliche Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit betreibt und Forschung unterstützt. In Gesprächen mit Politikvertreter:innen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene wirkt der NABU an der Erarbeitung von funktionierenden und praktikablen Lösungen mit und unterstützt deren Umsetzung.
(Hintergrundliteratur: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/
materialien/03797.html
)

 

2. Vorbeugender Herdenschutz – flächendeckend und praktikabel


Der NABU bekennt sich zu Erhalt und Förderung einer biodiversitätsfördernden Weide-und Grünlandwirtschaft. Damit einher geht die Forderung nach wirksamen und praktikablen Lösungen zum Herdenschutz.


Die Weidewirtschaft in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. In erster Linie durch geringe Stundenlöhne, hohe Arbeitsbelastung, Probleme beim Finden von Betriebsnachfolger:innen, verfehlte Agrarpolitik – und zum Teil noch verschärft durch die Anwesenheit von Wölfen. Der markante Preisverfall von Weidewirtschaftsprodukten verschlechtert die Wirtschaftlichkeit zunehmend. Der finanzielle und arbeitsintensive
Aufwand durch Herdenschutzmaßnahmen ist nicht zu verkennen, doch auch ohne diese Mehrbelastung droht die Weidetierhaltung mehr und mehr aus unseren Landschaften zu verschwinden, was irreparable Folgen für die Artenvielfalt hätte.


Als NABU sehen wir in der wirtschaftlichen Stabilität der Weidetierbetriebe eine grundlegende Voraussetzung, um die zusätzlichen Herausforderungen durch die Anwesenheit von Wölfen zu meistern. Die von ihnen erbrachten Leistungen der Kulturlandschaftspflege und Artenvielfalt müssen besser honoriert und deren politische Lobby
gestärkt werden. Hier geht es nicht nur um Geld, sondern auch um strukturelle Rahmenbedingungen in der Agrarpolitik, die für die Weidetierhaltung verbessert werden müssen. Weidewirtschaft muss ein sich lohnendes und zukunftsfähiges Betriebssystem sein, um langfristig fortzubestehen.


Der NABU fordert Bund und Länder auf, die von der Weidewirtschaft erbrachten Ökosystemleistungen angemessen zu honorieren. Darüber hinaus fordert der NABU ein bundesweites Programm zur Förderung der Weidetierhaltung sowie den Ausbau und Unterhalt eines umfassenden Herdenschutzes auch aus Mitteln der Agrarförderung, auch in Gebieten, wo es noch keine festen Wolfsterritorien gibt.


Herdenschutz ist vor allem zielführend, wenn er frühzeitig, vorbeugend und flächendeckend besteht, so dass Wölfe sich nicht erst an Weidetiere als einfache Beute gewöhnen können. Der Ausbau und Unterhalt dessen muss aber auch möglich gemacht werden. Voraussetzung für funktionierenden Herdenschutz sind die Bereitschaft der Weidetierhalter:innen und eine abgesicherte langfristige Vergütung des Herdenschutz-Mehraufwandes, der den Betrieben aus der erwarteten oder bereits erfolgten Ansiedlung von Wölfen erwächst. Nutztierrisse trotz ausreichenden Herdenschutzes müssen zeitnah finanziell angemessen ausgeglichen werden. Auch ein guter Herdenschutz kann Verluste von Weidetieren nicht immer verhindern, ist aber erwiesenermaßen der einzige Weg zur anhaltenden Verminderung von Nutztierrissen und damit unverzichtbar. Der NABU fordert Länder und Behörden auf, wolfsabweisende Herdenschutzmaßnahmen langfristig zu vergüten und finanzielle Erstattungszahlungen zeitnah und unbürokratisch zugänglich zu machen.


Die Anforderungen an Art und Umfang des Herdenschutzes müssen sich nach Ansicht des NABU aus dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse ergeben. Unterschiedliche Weidetier-Gebiete (z. B. Almen, Deiche) und Betriebsformen (z. B. Koppel-, Hüte- oder Wanderschäferei) brauchen dabei spezifische Herdenschutzlösungen. Der NABU fordert daher die Intensivierung der Herdenschutzforschung sowie die Einrichtung eines bundesweiten Wolf-Herdenschutz-Zentrums in enger Kooperation mit der DBBW. Hier sollen praktikable Innovationen entwickelt und Wissen gebündelt sowie Multiplikator:innen geschult und Bundesländer beraten werden. Der NABU fordert
zudem die Länder auf, Herdenschutzberatung und -unterstützung lokal zu verankern und in die gute fachliche Praxis in der Weidetierhaltung zu integrieren.


Die Fördermöglichkeiten für Herdenschutzmaßnahmen und der dafür aufzubringende Mehraufwand müssen eindeutig geklärt und unbürokratisch zugänglich gemacht werden. Diese werden in den Ländern unterschiedlich gehandhabt. Der NABU fordert Bund und Länder auf, im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur
und Küstenschutz die Förderungsbedingungen „Wolfsgebiete“ (Förderbereich 4-JSchutz vor Schäden durch den Wolf, Punkt 2.5.1) aufzuheben und den Ländern die Option für landesweite Förderungen zu ermöglichen.
Die Länder sollen sowohl die Sachkosten für Herdenschutzzäune, die über die Grundsicherung hinausgehen, zu 100 % übernehmen als auch über Landesprogramme zusätzliche Arbeitskosten beispielsweise über Weidetierprämien abdecken. Die Förderung von Herdenschutzhunden in geeigneter Zahl soll nicht nur für die Anschaffung, sondern vor allem für deren Unterhalt erfolgen. Nicht zuletzt sind auch Kommunen aufgefordert,
die Hüte- und Wanderschäferei bei der Einrichtung wolfsabweisender Nachtpferche und Nachtställe zu unterstützen. Der NABU macht sich für praxistaugliche, eindeutige und verlässliche Regelungen des Herdenschutzes und des Wolfsmanagements stark.


Der NABU bringt diese Arbeit voran, in dem er mit Weidetierhalter:innen in einen sachlichen und lösungsorientierten Dialog tritt und gemeinsam nach umsetzbaren Lösungen sucht und politische Forderungen aufstellt. Wir sind uns bewusst, dass nicht alle Herdenschutzmöglichkeiten (z. B. Herdenschutzhunde, Stallungen) für alle Betriebe akzeptabel und umsetzbar sind. Der NABU unterstützt außerdem Herdenschutz-und Forschungsprojekte und setzt ausdrücklich auf Kooperation von Naturschutz, Weidetierhaltung und anderen Landnutzer:innen.

 

3. Wirksamer Artenschutz – juristisch klar geregelt und konsequent


Die langfristige Absicherung des Wolfsvorkommens, also das Erreichen und Halten eines günstigen Erhaltungszustandes, setzt den wirksamen und konsequenten rechtlichen Schutz der Art voraus. Die EU gibt den Ländern mit der FFH-Richtlinie und deren Auslegehilfen dabei eine klare Orientierung für ihre nationale Gesetzgebung vor. Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen auf EU- und nationaler Ebene werden vom
NABU als ausreichend erachtet. Der NABU sieht keine Notwendigkeit zur Veränderung des Rechtsstatus.


Ausnahmegenehmigungen zur Tötung von Wölfen müssen Einzelfallentscheidungen mit entsprechendem Genehmigungsverfahren und stets das letzte Mittel der Wahl sein, nachdem alle milderen Alternativen versagt haben (FFH-Richtlinie Art.16). Eine Tötung von Wölfen sieht der NABU nur in folgenden Fällen als notwendig an:


- Wenn Wölfe sich nachgewiesenermaßen Menschen gegenüber aggressiv verhalten haben.


- Aus Gründen des (genetischen) Arterhalts: Wenn es sich um nachgewiesene Wolf-Hund-Mischlinge, sogenannte Hybride, handelt.


- Wenn Wölfe nachgewiesenermaßen mehrfach einen nach NABU-Standards als ausreichend definierten Herdenschutz überwunden haben.


Die Akzeptanz dieser Maßnahmen kann jedoch nur erfolgen, wenn die zugrundeliegenden Fakten und Kriterien transparent behandelt werden. Der NABU fordert die Behörden auf, die Dokumentation und Bewertung von Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme von Wölfen den beteiligten Interessengruppen zeitnah
zugänglich zu machen. Ebenso müssen Risse und Herdenschutzmaßnahmen in einheitlicher Art bewertet werden.


Der NABU lehnt die sogenannte aktive Bestandsregulierung von Wölfen entschieden ab. Pauschale Abschussregelungen, z. B. über eine Quote, führen, wie die Erfahrungen aus dem europäischen Ausland belegen, weder zu erhöhter Akzeptanz der Menschen, noch zu geringeren Risszahlen von Weidetieren. Darüber hinaus
zeigen erste Studien, dass die Jagd auf Wölfe sogar zu einem höheren Druck auf Weidetiere führen kann. Hingegen halten stabile, residente Rudel, umherziehende Einzeltiere aus ihrem Revier fern. Eine Bejagung von Wölfen, die über die Entnahme einzelner problematischer Individuen hinausgeht, würde die Situation also verschärfen, statt sie zu entspannen und ist somit abzulehnen. Der NABU spricht sich daher gegen eine sogenannte aktive Bestandsregulierung aus.

 

Auch eine Aufnahme ins Jagdrecht lehnt der NABU als rechtlich nicht zulässig und inhaltlich nicht zweckdienlich ab. Die Vermischung der Zuständigkeiten von Naturschutz und Jagd führt zu mehr Bürokratie und längeren Reaktionszeiten im Falle begründeter Abschussentscheidungen. Die Laufleistungen von Wölfen von bis zu 70 km in einer Nacht und das kleingliedrige deutsche Jagdpachtsystem führen zudem dazu, dass der – wenn überhaupt einzelfallweise – Abschuss von Wölfen nicht sinnvoll übers Jagdrecht geregelt werden kann. Aus den gleichen Gründen, sind „wolfsfreie Zonen“ weder zweckmäßig, noch durchführbar. Zudem wären sie nicht EU-rechtskonform und den Weidetierhalter*innen wäre damit nicht geholfen. Der NABU spricht sich daher für eine dauerhafte Beibehaltung der Art Wolf ausschließlich im Naturschutzrecht aus.


Was rechtlich geklärt werden muss, ist, ob und in welchem Umfang die Bereitstellung von weiteren Umwelt- und vor allem Agrar-Förderungen möglich ist. Dies ist dringend notwendig. Der NABU fordert die Bundes- und Landesregierungen auf, die Bezugsquellen und die Bereitstellung der Fördermittel flächendeckend zu
klären, sicherzustellen und bei der EU-Kommission entsprechende Fördermaßnahmen weiterhin zu notifizieren.

 

Der NABU bringt diese Arbeit voran, indem wir Entstehung und Weiterentwicklung von Wolfsverordnungen und Gesetzesentwürfen fachlich überprüfen und kritisch kommentieren. Das Mittel der Klage setzt der NABU wohl überlegt und nur dort ein, wo es um artenschutzrechtliche Grundsätze oder die Sicherung der Wolfspopulation geht. Der NABU sieht sich in der Rolle des Dialogpartners und Bindegliedes zwischen Politik, Naturschutz und nachhaltiger landwirtschaftlicher Entwicklung.

NABU-Bundesverband
Ralf Schulte
Teamleiter Artenschutz

Fachbereichsleiter Naturschutzpolitik
Tel. +49 (0)30 284 984 - 1601
Ralf.Schulte@NABU.de