Kein Schutz im Schutzgebiet – Rodungsarbeiten am Rittersbach bei Schladt

Wie eines der schönsten Waldgebiete Deutschlands den Bach hinuntergeht

Rodungsfläche am Rittersbach / foto: Alexandra Hamann
Rodungsfläche am Rittersbach / foto: Alexandra Hamann

§ 30 des Bundesnaturschutzgesetzes besagt: „Bestimmte Teile von Natur und Landschaft, die eine besondere Bedeutung als Biotope haben, werden gesetzlich geschützt (allgemeiner Grundsatz). Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung folgender Biotope führen können, sind verboten.“ Daraufhin wird erklärt, welche Naturlandschaften genau gemeint sind, wie z. B. „natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation“.

 

Der Rittersbach in der südlichen Vulkaneifel wird diesen schützenswerten Bereichen zugerechnet – doch damit nicht genug. Es handelt sich um ein sogenanntes FFH-Gebiet, geschützt nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie im Rahmen von NATURA 2000, einem EU-weiten Netz von Schutzgebieten „zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten“. Bis vor gut einer Woche war selbst für absolute Laien nachvollziehbar, was dieses wild-verwunschene Biotop so besonders macht. Ein schmaler Pfad verlief neben dem Bach, der von der Ebene durch eine Schneise hinab in die Lieser fließt. Darum herum: Wald.

 

Rittersbach vor der Rodung / Foto: Alexandra Hamann
Rittersbach vor der Rodung / Foto: Alexandra Hamann

Die Schluchten des Liesertals und ihrer Zuflüsse sind ein einziges großes Waldgebiet – oder besser: sie waren es. Denn seit ungefähr zwei Jahren ist man verstärkt bemüht, die durch die Hitze der vergangenen Sommer massiv geschwächten Fichten in Profit umzuwandeln. Werden die Flachwurzler zusätzlich von Borkenkäfern befallen, sind sie dem Tod geweiht und werden, wenn der Mensch nicht einschreitet, zu nutzlosem Gehölz. Das Ergebnis sind kahlgeschlagene Flächen, die sich zwischen den Laubwaldbeständen ausbreiten, von schweren Maschinen aufgewühlte Wege und achtlos hingeworfenes Geäst gemischt mit nicht verwertbaren Stämmen, das sich am Wegesrand auftürmt.

 

Wald ist meist – wie fast alles andere in unserem kapitalistischen System – der Wirtschaftlichkeit verpflichtet und muss sich, wenn schon kein Gewinn mehr möglich ist, zumindest selbst tragen. Dazu sind diese Maßnahmen ein notwendiges Übel. Ein Erholungsort ist so ein Wald nicht mehr, eher ein Ort des Schreckens und der Verwüstung.

 

Soweit ist das Vorgehen noch nachvollziehbar.

 

Was jedoch seit etwa einer Woche am Rittersbach passiert, wirft Fragen auf: Warum dürfen in einem Schutzgebiet Ende Mai gesunde Bäume geschlagen werden, wenn die Vögel in ihren Ästen brüten? Weil die Fläche klein und die Schädigung daher nicht relevant ist? Weil der Winter nass war und deshalb nicht im Wald gearbeitet werden konnte? Weil der Borkenkäfer auch hier irgendwann zuschlagen wird? Oder einfach nur, weil man das Geld noch mitnehmen will und es eh keiner merkt?

 

Rittersbach nach den Baumfällarbeiten / Foto: Alexandra Hamann
Rittersbach nach den Baumfällarbeiten / Foto: Alexandra Hamann

 Wie alles, was unser Wirtschaftssystem und dessen Auswirkungen betrifft, ist auch in diesem Fall die Gemengelage der Zerstörung des Rittersbachs und seiner Ufer komplex. Die ufernahen Regionen können sich erholen und mit der Zeit von anderen Baumarten bewachsen werden, die mit dem sich erwärmenden Klima besser zurechtkommen. Die menschengemachte Monokultur passte sowieso nie in diese besondere Gegend.

 

 

Aber: Ist es nicht möglich, in für Mensch und Natur zunehmend schwerer werdenden Zeiten mit etwas mehr Sorgfalt an die Sache heranzugehen? Sollte man Waldbesitzer dafür entschädigen, wenn sie ihre Bäume nicht fällen und der Natur ihren Lauf lassen? Oder zumindest dafür Sorge tragen, dass die Schonzeiten eingehalten werden, egal, wie klein eine Fläche auch sein mag?

 

 

Bei allem Bemühen um Verständnis lässt einen die derzeitige Situation mit einem mehr als schalen Gefühl zurück.

 

(Alexandra Hamann / Juni 2024)